Ein einfacher Algorithmus

Das bedingungslose Grundeinkommen erfreut sich augenblicklich großen öffentlichen Interesses. Die Idee wird nicht nur auf dem Wirtschaftsforum in Davos diskutiert. Eine Reihe von Beiträgen in namhaften internationalen Zeitschriften und angekündigten Experimente in Finnland und Utrecht erreichten viele Interessierte. Mit dem amerikanischen Technologie-Finanzier „Y Combinator“, der für die finanzielle Geburtshilfe vieler milliardenschwerer Internetunternehmen verantwortlich zeichnet, stellt sich eine globale Stimme hinter sie. Der Applaus ist dementsprechend groß.

Doch die plötzliche Begeisterung übersieht möglicherweise eine Gefahr. Wie das Magazin „Vice“ berichtet, befürwortet die amerikanische Privatwirtschaft das Grundeinkommen, weil es ihnen gestattet, Geld an eher Privatpersonen denn an staatliche Institutionen zu vergeben. Viele amerikanische Wirtschaftsmagnate äußern unumwunden ihre Ablehnung staatlicher Einrichtungen, wie zum Beispiel der Automobilunternehmer Elon Musk, der seine eigene Schule gründen will, da er das öffentliche Bildungssystem nicht für ausreichend „praxisorientiert“ hält. Die Gruppe der Technologieunternehmer sieht das Grundeinkommen zuerst als Möglichkeit, möglichst viele Menschen zu Unternehmern (und natürlich Konsumenten) zu machen. Sie nennen es daher lieber „Risikokapital fürs Volk“.
Das Grundeinkommen gehört, wie „Vice“ bemerkt, zu den Ideen, die sowohl den Konservativen wie der politischen Linke gefalle. Mehr Geld und weniger Leistungsdruck dienen zunächst dem Konsum. Es sei der „einfache Algorithmus“, der von Bürokratieabbau bis zum Kleinunternehmertum ein ganzes Bündel (neo-)liberaler und zugleich sozialer Wunschvorstellungen bediene. Viele Staaten stimmten daher freudig mit ein, denn auch sie haben vorrangig mehr Effizienz und keinesfalls geistige Befreiung im Sinn.

Die Beachtung, die der Idee augenblicklich widerfährt, birgt deshalb eine bisher wenig beachtete Gefahr: dass sie nämlich durch jene Privatinteressen vereinnahmt wird, an der schon Rudolf Steiner 1919 – damals gegenüber den politischen Parteien – scheiterte. Das 1920 geschaffenen Betriebsrätegesetz, das er als Chance zum tiefgreifenden sozialen Wandel sah, blieb vor allem deshalb hinter den Erwartungen zurück, weil es zugunsten deutscher Unternehmer abgeschwächt worden war.
Wenn sich machtvolle Privatwirtschaft hinter das Grundeinkommen stellt, besteht die Gefahr, dass der Abbau staatlicher Bevormundung den des politischen Forums zur Folge hat. Es umfasst jedoch die ganze Gesellschaft und nicht nur ihre Unternehmer und ist aus gutem Grund nicht als Markt angelegt. Denn vom Unternehmer unterscheidet den Bürger nicht zuletzt, dass er nicht im Lichte seiner Befähigung betrachtet wird, Märkten zu dienen – sondern als Träger von Rechten, als Gleicher und Gleichen.

Weil das Grundeinkommen bisher hauptsächlich aus „anti-staatlicher“ Perspektive betrachtet wird, kann es leicht für neoliberale Zwecke eingespannt werden. Die „Bedingungslosigkeit“, die es fordert, unterstützt den Eindruck, dass es weniger um Dialog als um die ideelle Herauslösung Einzelner aus der Gesellschaft geht. Gerade die anthroposophische Stimme, die Wichtiges zum Dialog der gesellschaftlichen Kräfte beizutragen hätte, sollte sich deutlicher zu Wort melden.


Dieser Kommentar erschien zuerst in der Ausgabe 6-7 der Zeitschrift „Das Goetheanum“. Die Ausgabe ist als PDF hier erhältlich.

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