Die tragende Organisationsform in Rudolf Steiners Gesellschaftsentwurf ist die Assoziation. Sie ist freilich nicht seine Erfindung. Ob Individualismus oder Kooperation der Allgemeinheit besser dient, ist eine Frage so alt wie Gesellschaft selbst. Neu ist bei Steiner ihre Verbindung mit der philosophischen Überzeugung, dass bleibende Aussagen über soziale Verhältnisse nicht zu machen und die Aufgaben der Assoziationen daher aus ihrer Arbeit heraus zu entwickeln sind, oder genauer: durch sie zur Erscheinung kommen.
Die Aufgaben der Assoziationen in Steiners Texten sind daher stets illustrativer Art. Ihre Ur-Aufgabe, von ihm einmal an der Begegnung Goethes und Schillers erläutert, besteht darin, dass sie Individuum und Gemeinschaft, Besonderes und Allgemeines in Beziehung setzen. Sie halten die Menschen, die in ihnen zusammenkommen, dazu an, die Wechselbeziehung von Individuum und Gemeinschaft zu verstehen. Sie sollen erfahrbar machen, wie allgemeine Institutionen aus individuellen Ideen entstehen.
Ob Cecil der Löwe, ein Flugzeugabsturz in Südsibirien oder Sinn und Unsinn des Grundeinkommens: Medien erlauben uns, was weltweit geschieht in unseren persönlichen Erlebnishorizont hineinzuholen, ohne den Zusammenhang, in dem es steht, mitzuerleben. Im Netz sind wir Millionen Köpfe ohne Körper. Eine Erregungskultur entsteht, der es allein um unsere Erregung selbst geht. Aber: Warum und wozu wollen wir wissen, was wir wissen können? Vielleicht wäre es hilfreich, neue Institutionen zu entwickeln, die uns dabei helfen, unsere individuellen Erlebnisse durch Begegnung gemeinschaftstragend werden zu lassen?
Diese Kolumne über Gesellschaft erscheint monatlich als Teil des Newsletters der Sektion für Sozialwissenschaften, den ich als Redakteur verantworte. Der Newsletter zu den gesellschaftskritischen Ideen Rudolf Steiners kann hier gelesen und abonniert werden.